22. Februar 2001
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

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Presseerklärung

Angehörige bergen Leiche eines Verwandten
Tod eines politischen Gefangenen
Tibetische Nonne stirbt im Gefängnis

Teil 1

Angehörige bergen Leiche eines Verwandten

Mitte Februar erhielten die Verwandten in der Nähe des Nyari Haftzentrums in Shigatse die Leiche eines Tibeters, der aus dem Exil zurückgekehrt war. Der 27-jährige Saru Dawa, ein Mönch des Klosters Kirti, wurde am 20. November 2000 an der Grenze in Dram festgenommen, als er nach Tibet reisen wollte, um seine kranke Mutter zu besuchen. Gleich nachdem seine Verwandten von der Festnahme von Saru Dawa hörten, machten sie zahlreiche Anfragen an verschiedenen Orten und Polizeistationen in der Nähe der Grenze zu Nepal. Weil alle beim Überschreiten der Grenze Festgenommenen in der Nyari Haftanstalt in Shigatse inhaftiert werden, wurden die Angehörigen bei der Gefängnisleitung dort vorstellig. Diese leugnete zuerst, einen Häftling namens Dawa bei sich zu haben. Ein Gefängnisbeamter, der von den Angehörigen Dawas Geld erhalten hatte, gab jedoch zu, daß Dawa in Nyari eingesperrt gewesen sei, aber in der Folge Selbstmord begangen hätte.

Am 15. Februar wurden die Verwandten zu der Stelle in der Nähe des Gefängniskomplexes geführt, wo Dawas Leiche begraben war. Die Gefängniswärter exhumierten den Körper, ohne daß die Verwandten ihn berühren durften. Die Leiche strömte keinen üblen Geruch aus, und auf Bitte der Angehörigen wurde sie am selben Tag in ihrem Beisein verbrannt.

Ihnen wurde mitgeteilt, Dawa hätte eine schwere Straftat begangen. Man zeigte ihnen ein Photo Dawas mit dem Dalai Lama und einige in der Exilgemeinde veröffentlichte Bücher. Ein Gefängnisbeamter soll gesagt haben, Dawa sei schon bei seiner Ankunft in der Haftanstalt bei schwacher Gesundheit gewesen, und trotz medizinischer Behandlung hätte sich sein Zustand nicht gebessert. Sein schlechter Gesundheitszustand zusammen mit der Last des von ihm begangenen schweren Verbrechens seien wohl zu viel für Dawa gewesen, weshalb er schließlich am 9. Januar 2001 Selbstmord begangen hätte.

Ein Mitmönch aus Kloster Kirti bestätigte, daß Dawa einen Sack voller Bücher mit sich getragen hätte, es sich aber nur um rein religiöse Texte gehandelt hätte, und kein Buch politischen Inhaltes darunter gewesen sei. Dawa wurde 1974 in der Gemeinde Saru, Kreis Dzoge, Präfektur Ngaba, Provinz Sichuan, geboren. Im Alter von 13 Jahren trat er in das Taktsang Lhamo Kirti Kloster ein. 1992 floh er nach Indien, wo er sich dem Kirti Kloster in Dharamsala anschloß. Nach 8 Jahren Studium in diesem Kloster begab er sich im November 2000 auf den Weg nach Tibet, nachdem er von der schweren Erkrankung seiner Mutter erfahren hatte.

Teil 2

Tod eines politischen Gefangenen

Ein ehemaliger politischer Gefangener, der diese Woche in Nepal eintraf, berichtet vom Tod eines anderen politischen Gefangenen. Der 40-jährige Penpa aus Tsang Shalu starb Anfang 2000, gerade einen Monat nachdem er aus medizinischen Gründen auf Bewährung entlassen wurde. Penpa, der eine 3-jährige Strafe in dem Trisam Gefängnis abbüßte, hatte nur noch 6 Monate bis zur Vollendung seiner Haftzeit. Nachdem er aus dem Gefängnis kam, suchte er verschiedene Ärzte und Spitäler in Lhasa und im Kreis Phenpo Lhundrup auf, aber er genas nicht mehr von seinem Leiden. Tatsächlich verschlechterte sich sein Zustand mehr und mehr, und schließlich starb er drei Tage, nachdem er in seinen Heimatort in Tsang zurückgekehrt war. Bei der Himmelsbestattung sahen seine Verwandten, daß eine Lunge kollabiert war und an den Rippen haftete. Penpa war schwer geschlagen worden, als er zuerst vom Nationalen Sicherheitsbüro (chin. An Quan Ting) festgenommen wurde, das ihn mit einem Vorfall wegen einer tibetischen Flagge in Zusammenhang brachte. Einige Monate vor seiner Festnahme wurde am 14. Mai 1997 die verbotene tibetische Nationalflagge auf dem Dach des Jokhang Tempels aufgezogen. Penpa wurde die ärztliche Behandlung, der er damals bedurft hätte, verweigert, und als sein Gesundheitszustand sich weiter verschlechterte, sahen sich die Behörden gezwungen, ihn aus medizinischen Gründen auf freien Fuß zu setzen.

Penpa, ein ehemaliger Mönch von Lhaden Tsuklakhang, wurde 1989 wegen Beteiligung an der Demonstration vom 5. März 1989 in Lhasa ein Jahr eingesperrt. Auch damals soll er immer wieder besonders schwer geschlagen worden sein, weil er bei einem Protest gegen die ungenügende Ernährung im Outridu Gefängnis (Lhasa) mitgemacht hatte.

"Mit diesem Vorfall verzeichnet das TCHRD fünf Todesfälle von politischen Gefangenen alleine im Jahr 2000. Seit China 1988 die UN Konvention gegen Folter ratifizierte, starben insgesamt 71 tibetische Gefangene als direkte Folge von Folter", sagte Lobsang Nyandak, leitender Direktor des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie. "Diese Todesfälle sind ein weiterer Beweis für die fortgesetzte und krasse Verletzung der Grundmenschenrechte durch die chinesische Regierung. Wir finden es entsetzlich, daß die internationale Staatengemeinschaft immer noch nicht die chinesische Regierung tatkräftig verurteilt hat."

Teil 3

Tibetische Nonne stirbt im Gefängnis

27. Februar 2001: Die 28-jährige tibetische Nonne Ngawang Lochoe starb am 5. Februar 2001 im Drapchi Gefängnis, nur ein Jahr vor Ableistung ihrer 10-Jahre Haftstrafe.

Ngawang Lochoe wurde zusammen mit fünf weiteren, alle aus dem Nyen Kloster kommenden Nonnen am 14. Mai 1992 wegen Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Lhasa festgenommen. Die Nonnen wurden der "Aufhetzung zu konterrevolutionären Aktivitäten und Propaganda" wegen angeklagt, und Lochoe wurde im Alter von 19 Jahren zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Während sieben Monaten bis zur Urteilsfällung wurden Lochoe und die anderen Nonnen in der Gutsa Haftanstalt unter unmenschlicher Behandlung brutalen Vernehmungen unterzogen. Drei der Nonnen schmachten noch im Drapchi Gefängnis, während zwei vermutlich 1998 entlassen wurden.

Im Drapchi Gefängnis waren Lochoe und die 13 Nonnen diejenigen, welche im Juni 1993 auf einem eingeschmuggelten Cassetten-Recorder Lieder und Botschaften an ihre Familien und Freunde aufnahmen. Als die Gefängniswachen ihr heimliches Tun entdeckten, wurden die Nonnen mit Haftverlängerung bestraft. Lochoes Haftzeit wurde um 5 Jahre verlängert, womit sie insgesamt 10 Jahre betrug.

Als zwei Wochen vor ihrem Tod im Januar 2001 ein Angehöriger bei einem Gefängnisbesuch Lochoe sehen wollte, verwehrten ihm dies die Gefängniswachen.

Lochoe starb unmittelbar, nachdem sie am 5. Februar in das Polizeihospital in der Nähe von Drapchi eingeliefert wurde. Ihre Verwandten wurden am selben Tag benachrichtigt, es gehe ihr nicht gut und sie sei ins Krankenhaus gekommen. Als sie dann im Krankenhaus eintrafen, bekamen sie nur noch den toten Leib von Lochoe zu sehen. Über die Todesursache wurden sie nicht informiert. Andere Nonnen, die mit Lochoe eingesperrt waren und letztes Jahr ins Exil flohen, meinten: "Es sei denn Lochoe ereilte irgendein Unglück, ist es unwahrscheinlich, daß sie so eines plötzlichen Todes hätte sterben können. Sie war eine gesunde Frau und niemals längere Zeit im Gefängnis krank".

"Lochoes plötzlicher Tod ist sehr fragwürdig. Die Tatsache, daß ihre Verwandten daran gehindert wurden, sie zu sehen, und daß ihr erst in letzter Minute ärztliche Hilfe zuteil wurde, beweist, wie die chinesischen Behörden durch ihre brutale Behandlung der tibetischen politischen Gefangenen absichtlich deren unnatürlichen Tod herbeiführen", kommentierte Lobsang Nyandak, der leitende Direktor des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie.

"Immer wieder erreicht uns Information über das vorzeitige Ableben von politischen Gefangenen in Tibet. China hat sich überhaupt nicht an die Verfügungen der UN Konvention gegen Folter gehalten, welche es doch unterschrieben hat. Bis dato sind, seit China die Konvention ratifizierte, unseres Wissens nach insgesamt 72 tibetische politische Gefangene als direkte Folge von Folter gestorben."

Ngawang Lochoe stammte aus dem Nyen Kloster in Kreis Toelung Dechen des Bezirks Lhasa. Von den 451 uns bekannten tibetischen politischen Gefangenen, die in verschiedenen chinesischen Gefängnissen in Tibet einsitzen, befinden sich annähernd 200 in Drapchi, darunter 32 weibliche politische Gefangene, von denen wiederum 29 Nonnen sind. Seit 1987 starben, wie wir erfuhren, 13 Nonnen in der Haft oder unmittelbar nach ihrer Freilassung als Ergebnis der Mißhandlungen.

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